Es ist kurz nach Mitternacht am 20. Juni 1974, als im Dunkel der Nacht ein ungewöhnliches Schiff den Hafen von Long Beach, Kalifornien, verlässt. Die Hughes Glomar Explorer ist 188 Meter lang, hat einen Landeplatz für Hubschrauber, auf dem Deck stehen große Kräne und hohe Gittermasten. Am auffälligsten aber ist ein riesiger, sechzig Meter hoher Förderturm in der Mitte desDecks.
Das Schiff gehört dem Unternehmer, Frauenhelden, Regisseur und Hollywood-Produzenten Howard Hughes. Der exzentrische Milliardär ist bekannt für seine ungewöhnlichen Projekte, seine Firmen bauen Satelliten, Raketen und Jets, darunter eines der größten Flugzeuge, das je geflogen ist. Hughes hat sich seit Langem unter mysteriösen Umständen aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, medikamentenabhängig lebt er in Luxushotels in Las Vegas und der Karibik, seine Suite verlässt er so gut wienie.
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Niemand wundert sich deshalb über die Expedition der Glomar Explorer, die offiziell auf dem Boden des Pazifiks nach wertvollen Erzen suchen soll, vor allem nach Manganknollen. In Wahrheit gehört das Spezialschiff allerdings nicht Howard Hughes, sondern der CIA und ist der wichtigste Teil einer waghalsigen Operation. Der US-Geheimdienst möchte ein sowjetisches U-Boot bergen, das 2900 Kilometer nordwestlich vor Hawaii gesunken ist, mit drei Atomraketen und nuklearen Torpedos an Bord. Seit 1968 liegt die K-129 in mehr als 5000 Metern Tiefe auf dem Grund des Meeres. Wahrscheinlich gab es einen Unfall an Bord, manche Experten vermuten, dass Wasserstoff aus der Batterie ausgetreten ist und eine Explosion verursacht hat, genau geklärt wurde die Ursache nie. Monatelang sucht die sowjetische Marine im Pazifik nach ihrem verlorenen U-Boot, aber ohne Erfolg. Den Amerikanern sind diese Bemühungen nicht entgangen, und sie versuchen selbst, das Schiff zu orten. Dank eines Systems von Sonarbojen, mit denen die USA das Meer überwachen, gelingt es ihnen, K-129 ziemlich genau zulokalisieren.
Die Bergung des Wracks kostete angeblich 500 Millionen Dollar
Statt die Sowjets über die Lage ihres U-Bootes zu informieren, halten die Amerikaner den Fund aber geheim. Sie beschließen, das Wrack selbst zu bergen, um an die Nuklearsprengköpfe und die ballistischen Atomraketen zu kommen, aber sie interessieren sich auch für geheime Pläne und Codes, die sie an Bord vermuten. So beginnt eine der aufwendigsten und teuersten Operationen des Kalten Krieges: "Projekt Azorian". Das Vorhaben ist eine enorme Herausforderung, denn das sowjetische U-Boot ist hundert Meter lang und wiegt mehr als 2000 Tonnen. "Keinem Land der Welt war es bis dahin gelungen, ein Objekt dieser Größe und dieses Gewichts aus einer derartigen Tiefe zu heben", schreibt die CIA später in einem Geheimbericht. Die Kosten werden auf mehrere Hundert Millionen Dollar geschätzt, am Ende sind es wohl sogar 500 Millionen Dollar - so viel wie ein Flug zumMond.
Selbst innerhalb des Militärs und der Regierung zweifeln viele, ob die Aktion sinnvoll ist - nicht nur wegen der riesigen Kosten, sondern auch wegen der politischen Brisanz: K-129 gehört immer noch der Sowjetunion, was die CIA plant, ist nach internationalem Recht ein Akt der Piraterie. Wenn die Operation bekannt würde, könnte das die Spannungen zwischen den beiden Supermächten erheblich verschärfen. Doch Präsident Nixon persönlich unterstützt den streng geheimen Plan. Damit die Sowjets keinen Verdacht schöpfen, muss die CIA die Aktion besonders aufwendig tarnen. Schon bald fällt die Wahl für die notwendige Legende auf Howard Hughes, dessen Rüstungsunternehmen eng mit der US-Regierung verwoben sind. Der Milliardär erklärt sich bereitmitzumachen.
Eine riesige Metallkralle sollte das U-Boot greifen
Zusammen mit einer Spezialfirma bauen Experten der CIA in jahrelanger Arbeit die Glomar Explorer. Das Besondere an dem Bergungsschiff ist von außen nicht zu sehen: eine riesige Metallkralle, die bis auf fünf Kilometer Tiefe herabgelassen werden soll, um das Wrack zu greifen und nach oben zu ziehen. Dort soll es in einem geheimen Frachtraum, der den Bauch des Schiffs einnimmt, in die USA transportiert werden. Technische Probleme verzögern das Vorhaben immer wieder, doch im Frühjahr 1974 ist die Glomar Explorereinsatzbereit.
Am 4. Juli, zwei Wochen nachdem sie Long Beach verlassen hat, erreicht sie den Fundort von K-129. Die Bergung des U-Boots, die nie geprobt werden konnte, ist noch komplizierter als befürchtet. Erst tobt ein Sturm, Nebel beeinträchtigt die Sicht, dann tauchen auch noch sowjetische Schiffe auf und beobachten die Glomar Explorer misstrauisch. Währenddessen lässt die Besatzung unter dem Rumpf die Metallkralle auf den Meeresboden herab. Das Gestänge klemmt, die Hydraulik ächzt, aber schließlich hebt der Greifer einen großen Teil des Wracks, das in zwei Teile gebrochen ist, tatsächlich an. Ganz langsam hieven die Motoren das U-Boot nach oben, bald sind es nur noch 2000 Meter bis zur Oberfläche. Doch dann geht eine mächtige Erschütterung durch die Glomar Explorer - der größte Teil des Wracks ist durch die Klaue gerutscht und zurück auf den Meeresboden gesunken. Am Ende gelingt es nur, unbemerkt von den sowjetischen Beobachtern, ein circa zehn Meter großes Stück des U-Bootes zubergen.
Öffentlich bekannt wird die "Operation Azorian" erst im Februar 1975, als die Los Angeles Times zum ersten Mal darüber berichtet. Bis heute weiß man nicht, ob es der CIA gelungen ist, an die Atomwaffen zu kommen, es gilt aber als unwahrscheinlich. Zumindest in einer Hinsicht war die Mission aber unerwartet erfolgreich: Bei der Bergung des Wracks wurden auch ein paar Brocken Mangangefunden.